A71/73 Verschwendung - Einwurf eines Betroffenen
[ Das Forum zu den Themen bei "www.henrytrefz.de" ] Geschrieben von Henry Trefz am 28. Oktober 2000 14:17:00:
Hallo, Andy
Herzliche Grüße von einem thüringischen Bergbauern, wie du es auszudrücken beliebst. Nein, nein übel nehme ich dir das nicht, mir schon geläufig, dass so mancher im Westen auch vermutet hat, wir hätten bis 1990 überwiegend russisch gesprochen.
Doch nun möchte ich auf deine Argumente eingehen. Das Projekt Thüringer Waldautobahn, wie du vielen Veröffentlichungen entnehmen kannst, stammt ganz konkret aus den frühen 90-er Jahren. Es wird also von der Planung bis zur (vollständigen) Fertigstellung mit Sicherheit deutlich mehr als ein Jahrzehnt vergehen. Allererste Pläne (so habe ich gehört, vielleicht wissen dies Historiker in diesem Forum mehr) sollen auch schon in den 30-er Jahren mit recht ähnlicher Streckenführung aufgestellt worden sein. Verkehrsprognosen sind erstens eben nur Prognosen und zweitens kein Grund einer ganzen Region deswegen die Autobahn zu verweigern. Und selbst, wenn du recht hast, bist du in Zukunft herzlich auf einer der wenigen vergleichsweise leeren Autobahnen in Deutschland willkom-men!
Du hast natürlich recht: Auch ein Dutzend Jahre für Planung und Bau ist recht schnell. Das aber liegt an dem extra für die VDE-Projekte eingeführten Beschleunigungsgesetz, das vor allem die Ein-spruchsmöglichkeiten stark begrenzt. Dies im übrigen macht diesem Part des ganzen Unternehmens auch deutlich billiger. Das hier gesparte Geld in eine Trassenführung zu stecken, die sicher teuer, aber auch maximal umweltverträglich (so das bei einer Autobahn überhaupt geht) ist, halte ich mit Blick auf unsere Nachkommen für eine gute Idee. Kosten stiegen also wegen erhöhten Umwelt-schutzstandards (gut oder schlecht, was meinst du?) verbesserter Lärmschutzaufwendungen (gut oder schlecht?) und dem Mut, in diesem Zusammenhang Ingenieurbauwerke zu schaffen, die blei-benden Wert haben. (Polemischer Gegenvergleich: Der Bundestag könnte genauso in einem Okto-berfestzelt tagen, welche Verschwendung, da extra einen Reichstag zu sanieren!?)
Zweiter Abschnitt:
Hast du schon einmal eine Karte mit den Autobahnen in Deutschland angeschaut und verglichen, wo viele Striche und wo wenige Striche sind? Das Grundgesetz schreibt die Schaffung gleicher Lebens-verhältnisse vor. Und dass leistungsfähige Verkehrsverbindungen dazu gehören, davon sollte ich in diesem Forum hoffentlich niemanden mehr überzeugen müssen. Die bisherigen Bundesstraßen sind nicht leistungsfähig, den Nachweis hier kann jeder gern bei einem Besuch in Thüringen selbst antre-ten.
Die Autobahn verbindet außerdem nicht nur Erfurt mit München (da zum Glück keiner drauf kommt, das wichtigste aller Teilstücken, die A73, wie du forderst, einzustellen). Sie erschließt den Raum da-zwischen. Dort liegt sicher auch Suhl (ca. 50000 Einwohner, Tendenz fallend). Dort liegt, viel wichti-ger: Ilmenau ca 30000 Einwohner Tendenz steigend). Die Stadt hat eine Technische Universität (zt. 6500 Studenten, sehr viel IT-Richtungen, Tendenz sehr stark steigend) und ist in ihrem Hochtechno-logie-Gründerboom mit Jena (ich hoffe, hierzu muss ich nichts mehr weiter erklären) zwar nicht ganz im Umfang aber in den Zuwachsraten schon vergleichbar. Von hier kamen immerhin Bundesminister, Bundespräsidentenkandidaten, hier lehrt der Träger der Deutschen Zukunftspreises 2000, der mp3-Erfinger Prof. Brandenburg (kam übrigens von Erlangen hierher, das liegt bald direkt an A 71,73 und 9).
Wenn die Wessis (jede Wette zum Beispiel, dass 90 Prozent von ihnen der Überzeugung sind, dass nur sie den Soli-Zuschlag zahlen und die im Osten nicht, was natürlich Blödsinn ist) in Zukunft nicht mehr jammern sollen, dass der Osten Deutschland auf der Tasche liegt, muss er ihm die Chance auf die gleiche Entwicklung geben.
Thüringen zumindest (das erklären unisono alle Landespolitiker) ist fest entschlossen im Länderfi-nanzausgleich demnächst vom Nehmer- zum Geberland zu werden und Bayern hierin nachzueifern.