Ein Erfurter zum "Streit" zwischen Ilmenau und Suhl


[ Das Forum zu den Themen bei "www.henrytrefz.de" ]


Geschrieben von Henry Trefz am 26. November 2000 17:15:50:

Als Antwort auf: Suhl wäre mit der Autobahn besser dran??? geschrieben von Robert am 26. November 2000 12:49:09:

Ein Erfurter zum "Streit" zwischen Ilmenau und Suhl
Aus deinen Worten, lieber Robert, spricht leider weniger die Gelassenheit und Übersicht über die Dinge, wie man sie dir - die Kenntnis deines Berufsstandes voraus gesetzt - eigentlich zubilligen sollte, sondern wohl eher ein gestörtes, wenn nicht sogar neurotisches Verhältnis zur Stadt Suhl. 45 Jahre Unterschied (1273 zu 1318) in der Gründungszeit berechtigen einen Wahlilmenauer - um nicht zu sagen: Zugezogenen - noch nicht unbedingt zu übergroßer Hochnäsigkeit. Immerhin hat Suhl (was für sich genommen natürlich auch noch nichts besagt) seit 1527 Stadtrecht und künstlich (?) die Einwohnerzahl nach oben geschraubt, dieser Verlockung konnte schließlich auch Ilmenau nicht wiederstehen.
Akuten Platzmangel, diese Eigenschaft teilen sich Ilmenau und Suhl ebenfalls, denn auch Ilmenau kann keiner Investoren mehr mit zum Beispiel etwa drei Hektar Flächenbedarf aufnehmen sondern müsste im Falle des Falles Wälder abholzen, die es flächenmäßig in seiner Gemarkung nicht wieder ausgleichen kann. Auf solch außerordentlich "kreative" Ideen könnte auch Suhl kommen, wird es aber wohl hoffentlich nicht. Stattdessen würde Ilmenau den Investoren wohl eher wieder ziehen lassen, als ihm anzubieten, in nur wenigen Monaten (okay, vielleicht werden es auch ein oder zwei Jahre) in unmittelbarer Nachbarschaft einen Platz zu finden, der genauso zu oder besser ist, je nachdem, welche Kriterien man ansetzt. Welcher das ist, brauche ich hier wohl nicht näher zu erwähnen.
Schuster (ausgerechnet Schuster!?), bleib bei deinem Leisten, ist ein ähnlich problematisches Stichwort. Wäre Ilmenau (zu Glück haben sie nicht auf Robert gehört) bei seinem leisten geblieben, hätte man exakt die gleichen Schwierigkeiten. Ich bin kein Demograph, wage aber zu behaupten, dass die in DDR-Zeiten überall angeordnete, künstliche Städtegenerierung in Ilmenau sogar noch extremer verlief, berücksichtigt man die Ausgangslage. Und lange, lange hat Ilmenau gebraucht, um zu erkennen, dass mit Glas und Porzellan keine Völkerscharen mehr zu ernähren sind. Die Völkerscharen aber sind (genau wie in Suhl) natürlich noch da. Und sie sind unzufrieden, dass sie keiner mehr zur "Schicht" lässt.
Freilich, in Ilmenau zeigt die Kurve nach oben. ich möchte aber eher formulieren trotz der Politik der Stadtväter und nicht wegen ihr. Allzu gern wird verschwiegen, dass bei der Erschließung der Ehrenbergregion, die schon jetzt überbucht ist, und wohl erweitert werden muss, nicht OB Seeber voranging, sondern tatsächlich, man glaubt es kaum, vom Minister Schuster regelrecht zur Jagd getragen werden musste. Außerdem tut die Stadt derzeit alles (oder sollte man sagen nichts dagegen ), um Investoren zwar vor die Tore der Stadt zu locken, sie darinnen jedoch nach Herzenslust im Stau stehen zu lassen. Fast möchte man meinen, die Verkehrsplaner würden heimlich von den konkurrierenden Nachbarregionen bezahlt um die Suppe so richtig schön dickflüssig zu halten. Und da geht es um kleine banale Dinge wie Grüne Pfeile oder das In-den-Hintern-treten von Straßenbaubetrieben, die Vollsperrungen als Gottes Fügung ansehen.
Bei dem nötigen und berechtigten Vergleich mit Erfurt oder Jena ist Ilmenau mental noch nicht angekommen, keift stattdessen mit Suhl um das lächerliche Prädikat einer Südthüringer Metropole.
Zur Abwanderung von großen Einzelhändlern in Suhl bleibt mir nur Sarkasmus: Ilmenau hatte - von dem durch Seeber intensiv in der Erweiterung behinderten Globus-Standort mal abgesehen, nie auch nur annähernd eine der großen Ketten. Darüber, ob McDonald ein Verlust ist, oder nicht, mögen sich andere streiten... Trotz dieser Minus-Zahlen, die womöglich nicht mehr die Geduld für die Autobahn hatten, bleibt noch jede Menge übrig, dass Ilmenau nicht bieten kann.
Doch die beiden Regionen werden künftig nicht nur untereinander, sondern auch in Norden und Süden mit anderen Zentren verbunden sein. Um einen echten Wettstreit zu erzeugen müsste man Suhl nun noch eine Uni geben, die sich nicht in ihrer Entwicklung von anfangs ignoranten Stadtvätern beirren lässt, und wie dann das Rennen ausgeht, darüber möchte ich keine Prognose abgeben.
Und ein letzter Satz, den ich als ein in Erfurt Geborener hinzufügen möchte: Auch die Landeshauptstadt entwickelt sich weniger auf Grund der eigenen Kreativität, sondern wegen des Automatismusses einer Hauptstadt und der gelegentlich surrealen Sehnsucht der Investoren, dass dort, wo schon etwas ist, unbedingt noch mehr hinzu kommen muss. Vielleicht sollte man einfach die Finanzbeziehungen zwischen Land und den Kommunen generell von der Frage der Einwohnerzahl unabhängiger machen...

MfG
Henry Trefz





Antworten:


[ Das Forum zu den Themen bei "www.henrytrefz.de" ]