Was hat Föderalismus mit kommunaler Konkurrenz zu tun?


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Geschrieben von Andreas Vohl am 03. Mai 2001 16:05:45:

Als Antwort auf: Re: Was hat die Autobahn mit der Demokratie zu tun? geschrieben von Henry Trefz am 27. April 2001 13:05:42:

Ich finde: wenig. Ich bin nicht der Meinung, daß der Förderalismus der Grund des Standortwettbewebs ist. Auch staatsübergeifend gibt es diese Art Wettbewerb. Die Panamerikanische Freihandelszone, die unlängst in Ottawa beschlossen wurde, ist hier ein Beispiel. Es zeigt auch, daß es nicht unbedingt eine konkurrierende Infrastruktur ist, die über den Standort entscheidet. Zynischerweise ist das Elend der beste Nährboden eines liberalisierten und deregulierten Kapitalismus'. Je mehr Arbeitslosigkeit, deto größer der Lohndruck, desto attraktiver der Standort. Wenn dann noch niedrige Steuern hinzukommen, da nur rudimentäre Sozial- und Bildungssysteme finanziert werden müssen (die dem Lohndruck die Schärfe nehmen würden), kann sich kein Unternehmer mehr halten. Jedenfalls einer der produzierenden Massenindustrie, bei der die wenigen Facharbeiter eingeflogen werden können (z.B. VW-Werk in Mexiko).
Hochtechnologieindustrie mit einem hohen Prozentsatz von Fachkräften produziert weitgehen unabhängig vom Infrastrukturfaktor Straße.
Möglicherweise habe Sie recht, daß eine Universität, die nicht in Berlin oder Leipzig steht, sondern in Ilmenau, von der Autobahn profitiert. Eindeutig finde ich das aber nicht: Entscheidungshilfen für Studenten sind eher die ZVS, die Qualität der Dozenten, das allgemeine (Hochschul-)Klima oder das kulturelle Ambiente einer Stadt, weniger eine Autobahnabfahrt. Professoren entscheiden nach Berwerbung und synergetisch angezogene Unternehmen wiederum durch andere Standortfaktoren wie Fördergelder, Namen und Größe der Stadt. Ausgebildete Akademiker haben selten die Wahl und müssen "flexibel" sein.
Ich darf Sie zitieren: "Sie ermöglichen den hier Wohnenden ein schnelles Erreichen der nächstgelegenen Zentren und werten damit die Gegend als Wohnstandort auf (wenn man in einem eng zu definierenden Abstand nicht zu weit weg und nicht zu nah dran Angebote macht). Dies wiederum lässt für die in den Zentren Wohnenden, die unter durch Marktmechanismen hoffnungslos hoch getriebenen Preisen leiden, eine Alternative zu."
Hier haben Sie recht. So seltsam es klingt, wertet eine dreckige, laute, stinkende Teertrasse mitten durch ein Waldgebiet die anliegenden Orte als Wohngebiet auf. Nur: Dadurch treten die Zuziehenden die gleichen Marktmechanismen los, vor denen sie aus den Zentren flohen. Die Ortschaften setzen damit nicht auf ihr vorhandenes Kapital, sondern biedern sich den Stadtflüchtigen wie der Industrie an. Und der Tourist fährt sowieso lieber langsam durch einen Wald und guckt nach Pensionen beidseitig der Straße, als schnell über die Autobahn zu seinem Wohnsilo. Auch wenn ich Ihnen recht gebe, daß es - was die Trassenführung angeht - auf jeden Fall hätte schlimmer kommen können.

Ich bin gar nicht so gegen die Autobahn, wie Leser meiner Beiträge meinen mögen. Vielleicht schadet sie dem Thüringer Wald gar nicht so. Ich weiß es nicht. Schlimm finde ich eher, daß sie wie kaum ein anderes Projekt von Strukturmaßnahmen ablenkt, deren Unterlassung auch mit Autobahn vielen Gebieten in Deutschland schlecht bekommt und bekommen wird: Es ist die "Flurbereinigung zweiter Teil", also die Zentralisierung der Sozialstrukturen, das Zusammenlegen von Feldern zu Monokulturen wie in der Landwirtschaft, das Fehlen von Hecken, von (Augen-)weiden, die Drainage ländlicher Kultur. Abseits von aller Begeisterung für die Technik wird uns die "Renaturierung" (ebenfalls im sozialen, kulturellem Sinn) dieser Landesteile in den Diskussionsforen der Zukunft beschäftigen.

Andreas Vohl




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