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Von Henry TREFZ
Eigersburg trägt aus vielerlei Gründen den Ortsnamen in Geratal, der den Auswärtigen am ehesten bekannt sein dürfte, Der Ruhm hat seine Wurzeln in grauer Vorzeit und ist
bisweilen auch eine ziemlich schwere Hypothek. Ein ganz normales Dorf mit Licht und Schatten zu sein, das in aller Ruhe seinen eigenen Geschäften nach geht, dieses Los ist den Eigersburgern versagt. Alles was
sich tat oder nicht, wurde am Anspruch des touristischen Leuchtturms der Region gemessen, ganz gleich, ob die Bürger mit diesen Ruf nun glücklich sind oder nicht. Und so hatten die Elgersburger oft Honoratioren in
ihren Mauern, die als Fremdlinge den Weg zu neuen Ufern gingen, und dabei gelegentlich vergaßen, mit einem Blick über die Schultern nachzusehen, ob denn die Bürgerschaft folgen will oder kann. Georg Senglaub,
Bürgermeister in der ersten Wahlperiode nach der Wende ist einer, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt, in der die Kraft liegt. Und so ernten damals auch die ersten hektischen Überredungsversuche aus dem Tal
herauf geschneiter Aktivisten, sich doch des Schlosses zu bemächtigen, allenfalls den mahnenden Bedächtigkeitszeigefinger. Der Weg von der sicheren Bank der Urlauberzuteilung durch den Feriendienst der
Gewerkschaft hin zu eigener Vermarktung war ein steiniger und holperiger und passt(e) damit auf tragikomische Weise zur Beschaffenheit der Straßen in Elgersburg. Der Ruhm der Jahrhundertwende,
Sommerfrische der Herzöge zu sein, wollte nicht so recht mit den immer schneller abblätternden Fassaden der einst prächtigen Häuser aus der Kur-Epoche harmonieren. Auch die renommierten Gasthäuser in der
Gemarkung gingen einen schweren Weg, der ihnen heute in ihrem Glanz kaum noch anzusehen ist. Es eilte die Zeit im Sauseschritt, doch zu Georg Senglaubs Naturell passte dieses Tempo nicht.
1994 trat Ingolf Schwarze sein Erbe an, einer, der, damals unterstützt von der mit großer Mehrheit gewählten Bürgerliste, zumindest an Hektik
mit der neuen Epoche Schritt halten konnte. Mit großer Kraftanstrengung wurde der Rückstand aufzuholen versucht, der sich nicht nur im seinerzeit galoppierenden Einwohnerschwund manifestierte. Bei einem guten Teil der standortspezifischen Kenndaten ist dies inzwischen gelungen. Gewerbegebiete mit florierenden Unternehmen sind aus Altstandort-Brachen hervor gegangen und ein Wohungsbaugebiet ist erschlossen, dessen Ansiedlungsrisiko man klugerweise der Landesentwicklungsgesellschaft übertrug. Freilich, die Grundschule war wegen des Geburtenknicks nicht zu halten, auch wenn das Gebäude heute wieder mit Leben und Angeboten für alle Generationen erfüllt ist.
Eine attraktive Einkaufsmöglichkeit aber bleibt trotz vieler Anstrengungen im Gemeinderat Wunsch statt Wirklichkeit. Das Schicksal der ortsbild-bestimmenden Villen in der Hauptstraße ist ein bewegtes, das
Kinderheim sieht - unabhängig von gemeindlichem Tun - schweren Zeiten entgegen, die ehemalige Kinderkippe hat nach vielen Wirren und einigem investierten Geld nun einen potenten, privaten Investor gefunden. Alles
überstrahlend aber ragt die gleichnamige Burg über Elgersburg - Chance und Last immer zugleich, die sich hier symbolisch repräsentieren. In einem Aufsehen erregenden Kampf mit Unterstützung der anderen
Geratal-Orte für die Öffentlichkeit gerettet, offenbaren sich auch hier nach den Erfolgen den Anfangszeit nun die Mühen der Ebene. Die große Vernunftskoalition im Ort, die zum Gelingen der Anfangsbelebung
unabdingbar war, zerbrach in den Wirren eines turbulenten und nicht eben zweckdienlichen Wahlkampfes im letzten Jahr. Schicksalhaft fast, gerade in der Zeit, als sie am nötigsten gebraucht wurde. Bürgerliste und ihr
alter Bürgermeister, dessen Ruf gleichwohl unter flugs gewendeter Flagge zur Wiederwahl reichte, gingen von nun an getrennte Wege. Die aufgerissenen Gräben sind tief, so dass aus Angst vor Gesichtsverlust niemand
den Sprung darüber wagt. Keinem ist das edle Motiv, das Beste für den Ort zu wollen, wirklich abzusprechen und doch lähmt der Zwist alter Freunde, die zu neuen Feinden wurden, den Fortschritt, gerade, als er nach
der Blüte zur ersten Frucht ansetzen will. Und so wird es - allfälliges Elgersburger Schicksal - wohl wieder auf die wohl gesinnten Auswärtigen ankommen, die noch am ehesten die Streithähne zum Handschlag überreden
können. Noch in diesem Jahr, wenn der Zug nicht ohne die Eigersburger abfahren soll.
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